Mordwaffe,-K.H

Ueber den Tod

mit Texten von Hannah Arendt, Sören Kierkegaard, Seneca, Vladimir Jankelevitch, Christian Müller u.a.

6 / 13 / 20. NOVEMBER & 4. DEZEMBER 2006 - Atelier7 - Wien
7 / 14 / 21 / 28. MÄRZ 2007 - Minoriten-Kulturzentrum - Graz

Ö1 Club Ö1 - Highlights "UEBER DEN TOD"
Ö1 - "Moment - Leben heute" 10'33 min

(das Bild stammt von Kaspar Hauser)

Wenn Sie sich als Veranstalter für die Reihe oder Teile davon interessieren, bitte ich um Kontaktaufnahme



In dieser Philosophie-Lesungsreihe geht es "six feet under":

Der Tod ist zwar eine ernste Sache, aber warum sollte er nicht lebensfroh zu bedenken sein? Denn "wer mit allen Kräften an den Tod gedacht hat, lernt auf eine neue Art das Leben zu fassen" (Klaus Mann). Als Bezugspunkt des je eigenen Lebens lässt er sich auf der Suche nach dem Sinn nicht umgehen. Ob ich an Gott glaube oder nicht, er fordert von mir ein Bekenntnis, woran ich glaube, auch wenn es das "Nichts" ist. Bei allen Philosophen, die ich zu diesem Thema gelesen habe, bin ich letztlich aber auf den Tod gestoßen, der ins Leben ruft, welcher der Gegenwart sinnvolle Freude verleiht. In diesem Sinne lässt sich mit Kierkegaard "der ernste Gedanke des Todes ins Leben einüben, um schließlich jeden Tag zu leben als wäre es der letzte und zugleich der erste in einem langen Leben!"

Alexander Tschernek
im November 2006


PROGRAMM

HANNAH ARENDT

VITA ACTIVA - Die Arbeit und das Leben
Geburt und Tod setzen die Welt voraus, etwas, dessen Dauerhaftigkeit und relative Beständigkeit Ankunft und Aufbruch ermöglichen / Gäbe es die Welt nicht, menschliches Dasein wäre das todlose Immersein des Menschengeschlechts / Geburt und Tod sind nicht natürliche, sondern weltliche Ereignisse

SÖREN KIERKEGAARD

DREI REDEN BEI GEDACHTEN GELEGENHEITEN - An einem Grabe
Den ernsten Gedanken des Todes ins Leben einüben / Und doch ist es ja, als läge dem Tode ein Scherz zugrunde / Sich selbst tot denken, ist der Ernst; Zeuge sein beim Tode eines andern ist Stimmung / Der Ernst würde lehren Maß zu halten mit Trauern und Klagen / Wohl sterben können ist ja höchste Lebensweisheit / Der Tod spricht: ich bin da, will jemand von mir lernen, so komme er zu mir / Der Tod in dem Ernst gibt Lebenskraft wie nichts andres / Die Entscheidung des Todes ist nicht bestimmbar durch die Gleichheit, denn die Gleichheit besteht im Vernichtetsein / So soll es lindernd sein gleich kühlendem Schnee, daran zu denken, daß der Tod alle gleich macht / Der Tod selbst erklärt nichts / Der Tod ist durch die Geburt zum Lehrer fürs ganze Leben bestellt / So wird es denn der Ernst, jeden Tag zu leben als wäre es der letzte und zugleich der erste in einem langen Leben

DIE KRANKHEIT ZUM TODE
Wäre in einem Menschen nichts Ewiges, so könnte er überhaupt nicht verzweifeln / ein Selbst haben ist das größte, unendliche Zugeständnis, welches dem Menschen gemacht ist, zugleich aber der Ewigkeit Forderung auf ihn.

VLADIMIR JANKELEVITCH

KANN MAN DEN TOD DENKEN? - Das Unwiderrufliche
Das Nein des Todes / Als medizinisches Phänomen ist der Tod die banalste Sache der Welt / daß der Mensch ohne den Tod nicht einmal Mensch wäre / Das was nicht stirbt, lebt nicht / In welchem Augenblick ist es notwendig zu sterben? / die metaphysische Hoffnung, den Tod andauernd zu vertagen / Jeder stirbt für sich, seinen eigenen Tod, auf seine eigene Rechnung / Der Tod wird nicht erlernt / Das Aufhören des Seins ist nicht im Begriff des Seins inbegriffen / Alle Welt findet das ziemlich normal, daß jemand, der nicht war, sich zu sein anschickt / Zu sagen, daß jemand erscheint, verscheucht nicht die Dunkelheit des Verschwindens / Man muß zwischen Mysterium und Geheimnis unterscheiden [...] Der Tod ist ein Mysterium bei hellem Tage [...] Ein Geheimnis wird entdeckt, aber ein Mysterium offenbart sich / Wir wollen zugleich die Inbrunst des Lebens und auch die Ewigkeit / Ein kurzes, aber ein echtes Leben haben, ein Leben der Liebe usw. oder aber eine unbegrenzte Existenz ohne Liebe, die aber überhaupt kein Leben ist, die ein andauernder Tod wäre

SENECA

VON DER KÜRZE DES LEBENS
Engherzig halten die Menschen ihr Vermögen zusammen, wenn es aber um Zeitverlust geht, sind sie äußerst verschwenderisch, wo doch hier allein Geiz sittlich berechtigt wäre / Als unfertiger Mensch gehst du in den Tod / Auch sterben muß man das ganze Leben lang lernen / Du wirst eine erhabene Unruhe allen irdischen Dingen gegenüber gewinnen / Um den äußeren Putz seines Kopfes ist man besorgter als um dessen innere Ordnung / Frei von Unruhe sind allein die Menschen, die für die Weisheit Zeit haben / Du wirst lernen zu leben und zu sterben

DIE TROSTSCHRIFT AN MARCIA
Ich bin gewillt, mit deiner Betrübnis den offenen Kampf aufzunehmen / Die Götter haben dir keine festen Zusicherungen gemacht / Selbst Menschen mit guten Anlagen haben oft im Alter nicht das gehalten, was man in der Jugend von ihnen erhofft hatte / Die Knochen und Sehnen, die Haut als Decke und die übrigen Hüllen sind nur Fesseln und Verfinsterungen des Geistes / Die Verstorbenen dürfen sich ungehindert in den freien und weiten Räumen einer ewigen Welt bewegen

CHRISTIAN MÜLLER

DER TOD ALS WANDLUNGSMITTE
Das Phänomen des Todes im lebensweltlichen Umgang / Vor dem Tod kann man fliehen, aber nur vor dem Tod / das Dasein hinsichtlich seiner möglichen Eigentlichkeit und Ganzheit befragen / das Mitsein in der Frage nach Leben und Tod des Anderen / der eigene Tod ist wesenhaft unvertretbar / vom Geschehen um Leben und Tod werden wir freigesetzt und müssen uns dieser Befreiung stellen / das Vermögen des Menschen, vor seinem eigenen Tod zu stehen.

(Änderungen und Ergänzungen möglich!)


Literaturliste:
Arendt, Hannah - 
Vita activa oder Vom tätigen Leben , Piper 1967
Ariès, Philippe - 
Studien zur Geschichte des Todes im Abendland, dtv Wissenschaft 1981
Aurel, Marc - 
Selbstbetrachtungen, Kröner 1973
de Botton, Alain - 
StatusAngst, Fischer 2004
Canetti, Elias - 
Über den Tod, Hanser 2003
Jankélévitch, Vladimir - 
Kann man den Tod denken? Turia Kant 2003
Kierkegaard, Sören - 
Drei Reden bei gedachten Gelegenheiten, Grevenberg 2004
Kierkegaard, Sören - 
Die Krankheit zum Tode, GTB Siebenstern 1985
Kübler-Ross, Elisabeth - 
Verstehen was Sterbende sagen wollen, Kreuz Verlag 1982
Mollenhauer, Bernd, - 
Vermischtes aus dem Reich der Toten, EVA 2000
Müller, Christian - 
Der Tod als Wandlungsmitte, Zur Frage nach Entscheidung, Tod und letztem Gott in Heideggers "Beiträgen zur Philosophie" - Dissertation, Freiburg 1999
Pascal, Blaise - 
Gedanken, Borowsky
Platon - 
Meisterdialoge, Artemis 1958
Pratchett, Terry - 
Gevatter Tod, Heyne 1995
Schopenhauer, Arthur - 
Über den Tod, Hyperion-Verlag Freiburg
Rilke, Rainer Maria - 
Die Gedichte, Insel 1957
Steiner, Rudolf - 
Der Tod als Lebenswandlung, Rudolf Steiner Verlag 1986
Seneca - 
Mächtiger als das Schicksal, Ein Brevier, Diogenes 1999
Seneca - 
Von der Kürze des Lebens, dtv/C.H.Beck 2005
Terkel, Studs - 
Gespräche um Leben und Tod, Kunstmann 2002
Thurman, Robert F. - 
Das Tibetische Totenbuch, Fischer 2002
Weidelener, Herman - 
Der Weg des Meisters von Nazareth durch Sterben und Tod, Augsburg 1977
Weidelener, Herman - 
Einige Gedanken zum Leben nach dem Tode, Augsburg 1966

und sehr zu empfehlen:

SIX FEET UNDER - 
Gestorben wird immer
die 5 Staffeln der amerikanischen Kultserie von Alan Ball
DVD - HBO-Video, über Warner Home Video Germany


AM SAUM DER ZEIT

In der Stunde meines Todes
will ich sterben -
nicht vorher, nicht nachher.

Denken will ich nur Dank,
hören will ich den
letzten Schlag meines Herzens,
wie sein Klang versinkt
im immerwährenden
Schlag der Wellen des Meeres.

Mein Wissen bettet sich in
die Ahnungen meines Lebens,
die Ahnungen meines Denkens,
so daß ich vollständig bin -
in allen meinen Wunden

und also geheilt.

Mein tägliches Paradies
war mein lebendiges Herz.
Und wenn die Knochen trocken sind,
tanze ich am Saum der Zeit.

Alexander Tschernek